Familiengeschichten sind Geschichte
Lebensgeschichte von Erika ReitAufgeschrieben von einem Sohn - nach den Erzählungen Meine Mutter Erika ist als Kind deutscher Eltern in Polen in der Stadt Lodz aufgewachsen. Zuhause wurde deutsch gesprochen, denn ihre Mutter Elisabeth verstand kein Polnisch. Erika ging auf ein polnisches Gymnasium und lernte dort die Sprache, aber sie hatte kein Interesse am Lernen und verließ die Schule ohne Abschluss. Ihr Vater Heinrich erfüllte seiner Tochter jeden Wunsch und richtete ihr einen kleinen Lebensmittel-Laden ein. Erika war nicht erfolgreich mit diesem Geschäft und musste den Laden bald wieder schließen. Als ihre Mutter Elisabeth krank wurde, kümmerte sich Erika um sie und den Haushalt. Die kleine Schwester Elfi war 12 Jahre jünger als Erika. Ihre beiden Brüder sind beide früh verstorben: Alfred wurde als deutscher Soldat in der Nähe von Kharkiv getötet, der jüngere Harry Egon Johann Wilhelm starb 18-jährig vermutlich am plötzlichen Herztod. Der Vater Heinrich war von Beruf Reliveur, er stellte Druckwalzen her, die zum Bedrucken von Stoff verwendet wurden. Er war Angestellter der Firma "Camille-Ast". Erika erzählte, dass er ein Verfahren entwickelt hatte, mit dem die zuvor importierten Druckwalzen in der Firma selbst hergestellt werden konnten. Ein Patent konnte er allerdings nicht anmelden, denn das Verfahren war bereits in Frankreich patentiert. Heinrich konnte für sich und seine Familie ein kleines Haus in Lodz in der Straße mit dem Namen Lowicka bauen. Erika heiratete den evangelischen Pastor Alfons und sie bekamen ein Mädchen, das im Winter 1944 geboren wurde. Alfons wurde Soldat und Erika musste mit ihrem 6 Wochen alten Kind vor dem herannahenden Krieg flüchten. Ihre Hebamme, die ein eigenes Auto besaß, hatte Erika zugesagt, sie mit dem Kind mit auf die Flucht zu nehmen. Das Auto der Hebamme wurde an einen Wehrmachts-LKW angehängt, weil das Benzin fehlte. Der Wagen mit ihrer Schwester Elfi fuhr plötzlich in eine andere Richtung, die Schwestern wurden getrennt. Erst 1 Jahr später, nachdem die 13-jährige Elfi unaussprechliches erlebt und erlitten hatte, fanden sie wieder zueinander. Heinrich, der Vater von Erika, blieb in Polen zurück und starb im Internierungslager Sikawa bei Lodz. Diese Information erhielt Erika von einem Bekannten, der aus dem Lager geflüchtet war. Im Westen angekommen, konnte Erika mit ihrem Kind gerade in dem Moment in einem Zug aus dem Bahnhof von Hannover herausfahren, in dem eine Bombardierung des Bahnhofs begann. Erika konnte mit ihrem Kind als Flüchtling bei einem Bauern unterkommen und erlebte so das Kriegsende. Auch ihr Mann Alfons hatte überlebt und wurde in Izehoe aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Erika und Alfons lebten in einem kleinen Dorf in der Lüneburger Heide und bauten dort ein Haus für die inzwischen gewachsene Familie. Sie zogen um in einen kleinen Ort an der Nordsee, wo noch weitere Kinder geboren wurden. Auch hier bauten sie für die große Familie mit inzwischen 7 Kindern ein neues Haus, das sie verließen um nach Bayern umzuziehen. Ihre 7 Kinder verteilten sich über ganz Deutschland. Die Enkel von Erika und Alfons sind inzwischen erwachsen und haben eigene Kinder. Heute (im Jahr 2023) gibt es 11 Urenkel - sie mögen wachsen und gedeihen und sich an diese Geschichte erinnern. |
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